Pressestimmen


Hirsch lümmelt sich auf Plüsch

Der Leverkusener Maler Michael Klette stellt in der „Galerie am Werk“ aus

Von unserer Redakteurin Ingeborg Schwenke-Runkel

Er hängt nicht über dem Sofa, er ruht darauf: der Hirsch. Ein kapitaler Zwölfender thront auf rotem Plüsch. Er scheint’s nötig zu haben, denn er wirkt müde, abgekämpft. Kein Wunder, muß er doch seit hundert Jahren – mindestens seinen Repräsentationspflichten in groß- und gutbürgerlichen Wohnzimmern nachkommen. Wer jahrein, jahraus, jeden Tag aufs neue von oben herabschaut auf die Menschenkinder, der darf es sich irgendwann auch selbst mal gemütlich machen. Es sei ihm gegönnt, dem Rot-Röhrer. Umspielt nicht ein leises ironisches Lächeln sein Maul?
Diese Arbeit von Michael Klette hängt – unübersehbar – in der Galerie am Werk. Die Farbe lockt die Augen, das Sujet erst recht, denn einen Hirsch, den gab’s in diesen Kunst-Räumen noch nie. Wie auch? Ist es doch oberstes Ziel des ausstellungsmachers Harry Plein, aktuelle Malerei, junge Kunst, zu zeigen. Jung ist auch dieses „alte“ Thema, denn es unterwandert frech den Inbegriff bürgerlichen Kunstverständnisses und stellt die Tatsachen auf den Kopf: das Tier macht sich dort breit, wo sonst die sitzen, die es jagen, ausstopfen oder sein Konterfei aufhängen. Die Sache mit dem Hase und dem Igel: „Ich bin schon da.“ Oder auch „Wer zu spät kommt, den…“ Zum ersten Mal stellt der Leverkusener Maler Michael Klette in der Galerie am Werk aus. Alle Arbeiten sind ganz frisch, aus diesem noch so kurzen Jahr stammt ein kleinerer Teil, doch vor allem sind sie während der vergangenen zwölf Monate entstanden. Seinem phantasievoll-erzählenden Stil ist Klette treu geblieben, auch die Farben ähneln sich. Er liebt die klaren Töne: sattes Rot, saftiges Grün, strahlendes Blau, leuchtendes Gold. Doch die kleinen, orientalisch anmutenden Verzierungen, die er zu riesigen 1001-und-eine-Nacht-Puzzles so gerne zusammensetzte, die haben sich gedehnt. Die Bilder atmen Weite, bieten Landschaftseindrücke. Und sie alle bergen einen versteckten „Knaller“. Taumelt ein dicker Käfer auf den Betrachter zu? Oder trudelt ein Ufo vom Drei-Sonnen-Hilmmel? Klette läßt alltägliche Gegenstände durch die Luft schwirren, Schneebesen, Telefon, Staubsauger – Insekten, die das Gruseln lehren. Ein wenig. Die „Poesie der stillen Dinge“ heißt die Ausstellung – wieder eine Umkehrung, denn die „stillen Dinge“ sind die Krachmacher, die Störenfriede. Wer im Grase liegt und träumt, wird vom Tornado Donner gewaltsam aus der Gefühls-Idylle gerissen. Doch die Traumfetzen bleiben. Sie schweben als Gedanken-Gräser, wie von einem Windstoß in die Luft getragen, auf den oberen Bildhälften.
Diesen sanften Wellen in den Arbeiten entsprachen die Sphä- renklänge, die Michael Meierjohann in seine Musik-Installation einbaute. Ein Experiment zur Ausstellungseröffnung- Denn mitten hinein in diese Schmusecollage von Vogelgezwitscher und Meeresraunen brachen akustische Störgewitter. Schade, daß die Bild- und Klangverbindung nur während der ausstellungseröffnung zu erleben war. Die Einführung hielt Klette-Schwager, der Kabarettist Wolfgang Müller-Schlesinger. Von ihm kamen keine Schmusetöne, vielmehr kritische Rundum-Schläge.

Michael Klette – Die Poesie der stillen Dinge bis 22. März, Galerie am Werk, Hauptstraße 135, Leverkusen; täglich 11-19 Uhr.